Ausfahrt 1: 2 Biker 1 Bike

Um uns in Rider-Stimmung zu bringen, verabredeten wir uns am 04. Mai 2022 zu einer kleinen Trainingsfahrt auf Dietmars Kymco Zing 125. Für Victor war es der erste Motorrad-Kontakt seit fast 50 Jahren. Damals fuhr er eine DKW 125. Etwas Unsicherheit war also mit im Spiel. Aber es gibt Dinge und Fähigkeiten, die verlernt man nie. Und schon nach wenigen hundert Metern war das Gefühl für ein schnelles Zweirad mit Verbrennungsmotor wieder da.

Wir fuhren die Bergstraße hinauf zum Haldenhof und von dort über Bonndorf und den Helchenhof bis nach Winterspüren und zurück. Victor bekam die Gelegenheit, seine alten Fahrkenntnisse auf die Probe zu stellen. Zuerst alleine, dann mit Sozius.

Dietmar hatte damit mal wieder seinen Mut und sein Vertrauen unter Beweis gestellt, denn bei einem Fahrer sich auf dem Hintersitz zu befinden, der schon ein halbes Jahrhundert keinen Feuerstuhl mehr unter dem Arschgehabt hatte, verlangt Courage oder, wie man hier sagt, viel Schneid. (Der „Schneid“ ist ein altertümlicher süddeutscher Ausdruck für Mut, Tapferkeit, Draufgängertum, Kühnheit, Stärke.)

Für’s Erste reichten die etwa 30 Kilometer Fahrstrecke, um den Adreanalinspiegel anzuheben und auf einem angenehmen Level zu halten. Es hat sich dabei auch herausgestellt, dass eine Kymco Zing 125 für eine Fahrt über die Pyrenäen nicht geeignet war und sich Dietmar wohl nach einer stärkeren Maschine wird umsehen müssen. Bei 3 Zentner Ladung, die wir zwei zusammen auf die Waage bringen, ging bei der geringen Steigung die Bergstraße hinauf der Motor ganz schön in die Knie. Häufig war das Runterschalten in den ersten Gang unvermeidlich.

Unsere erste und einzige gemeinsamen Motorrad- oder besser gesagt Moped-Tour unternahmen wir vor gut einem halben Jahrhundert in München.

Dietmar startete damals im Hotel „Vier Jahreszeiten“ seine erfolgreiche Karriere als Küchenchef. Ich, noch Schüler, besuchte ihn in den Ferien. Wir hatten uns vorgenommen, die Braukünste der Mönche vom Kloster Andechs über dem schönen Ammersee im Südwesten von München auf eine oder auch zwei oder vielleicht sogar mehr Kostproben zu stellen.
Wie sicher sich Dietmar im Großstadtverkehr bewegte und zurechtfand, machte mächtig Eindruck auf seinen Blutsbruder vom See. Es gab keinen Grund an der erfolgreichen Durchführung unseres Unternehmens zu zweifen.

Bevor wir uns auf den Weg machten, durfte Victor im Park von Schloss Nymphenburg mit Dietmars Herkules eine Probefahrt machen. Ab dann saß er immer hinten auf dem Sozius, denn einen Führerschein hatte er noch nicht.

Nach vielen Kilometern Autobahnfahrt im Windschatten von LKWs, -für ein Überholmanöver hätten es mehr Rückenwind gebraucht-, erkannten wir schlagartig, dass wohl doch eine Kleinigkeit schief gelaufen war. Ein Schild verkündete unübersehbar, dass nur noch wenige Kilometer fehlten ….
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bis Augsburg.
Das aber liegt ca. 80 km von Andechs entfernt im Nordwesten von München.

Also nahmen wir die nächste Ausfahrt und lernten Adelzhausen kennen, besser gesagt, das Ortsschild und ein Stück Straßenrand von Adelzhausen, wo wir uns kurz ausruhten.

Tja, das war die Zeit bevor es TomTom oder andere satelitenbasierten Navigationssysteme gab.

Aber bekanntlich führen viele Wege nach Rom und genauso nach Andechs. Nach diesem „kleinen“ Umweg erreichten wir unser eigentliches Ziel ein paar Stunden später als geplant und mit einem riesigen Durst.

Wir taten das, wozu wir gekommen waren, legten uns danach auf eine grüne Wiese und ließen uns die Sonne für einige Zeit auf den Pelz brennen bis sich der Alkoholspiegel soweit abgesenkt hatte, dass wir die Heimreise ohne Risiko antreten konnten.

Schon damals stellte sich also heraus, dass wir für Motorradreisen unbedingt ein gutes Navigationssystem brauchen, obwohl ein solches noch gar nicht erfunden war.