Etappe 1: Von Ludwigshafen nach Äschi/Spiez

Die Pferde sind gesattelt und bepackt, will heißen: die Tanks sind befüllt, das Gepäck ist mit Spanngurten festgezurrt. Kurz vor 11:00 Uhr heulen die Motoren auf. Wir starten bei stark bewölktem Himmel in voller Regenmontur und rollen unter einer dichten Wolkendecke bei kühlen Temperaturen entspannt und mit moderater unserem Alter angemessenen Fahrgeschwindigkeit dahin. Auf dem Etzelpass kurz vor Einsiedeln brechen erstmals Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Am Fährhafen nach Gersau und auf der Überfahrt nach Beckenried überrascht uns leichter Sprühregen. Danach fahren wir dem Regen hinterher; die Straßen sind nass, aber wir bleiben trocken bis wir am Abend Äschi erreichen.

Unsere Reiseroute

Unser Weg führt uns durch die herrliche voralpine schweizer Seenlandschaft.
Bodensee –> Zürchersee –> Sihlsee –> Ägerisee –> Vierwaldstättersee –> Sarnersee –> Lungenersee –> Brienzersee –> Thunersee

Bodman-Ludwigshafen –> Konstanz –> Märstetten –> Affeldrangen –> Fischingen –> Fischenthal –> Rapperswil-Jona –> Etzelpass –> Einsiedeln –> Rothenthurm –> Sattel –> Schwyz –> Gersau –> Beckenried –> Stans –> Sarnen –> Sachseln –> Giswil –> Lungern –> Brienz –> Interlaken –> Äschi/Spiez

Aus Dietmars Logbuch

Die große Ausfahrt nach Santiago de Compostela beginnt am Dienstag den 2. Mai. Die geplante Abfahrt um 9:00 Uhr muss kurzfristig verschoben werden. Ich werde noch kurzfristig zu einen Notartermin gerufen, sodass wir dann erst um 11:00 starten können.
Nach 2 Stunden Fahrt machen wir kurz vor Einsiedeln in dem wunderschönen Landgasthof St. Meinrad auf dem Etzelpass unsere erste Rast. Bei einer köstlichen Dickebohnen-Suppe und einem alkoholfreien Hefeweizen, holen wir uns in einer kleinen Kapelle nebenan unseren ersten Pilgerstempel.

Ein zweiter Stopp vor dem Kloster Einsiedeln und die Beschaffung eines weiteren Stempels lässt uns noch etwas verweilen.

Dann geht die Fahrt weiter am Vierwaldstätter-See entlang bis nach Gersau, wo wir mit der Fähre übersetzen und ich gleich den ersten kleinen Unfall habe. An der steilen Zufahrt zur Fähre, die wir am anderen Ufer zu überwinden haben, muss ich nach dem Anfahren auf der Kuppe wegen eines Autos noch einmal schnell bremsen, gerate in Schieflage, kann die Maschine nicht mehr halten und schon liege ich unter dem Motorrad. Ich kann mich noch selbst befreien, bin glücklicherweise nicht verletzt und kann das Motorrad mit Victors Hilfe wieder aufstellen. Beim Anlassen meckert die Virago zwar noch ein bisschen, weil der Vergaser wohl zuviel Benzin geschluckt hat, aber bald schon können wir die Fahrt fortsetzen.


Nach weiteren drei Stunden Fahrt erreichen wir gegen 20 Uhr unser erstes Quartier auf einem idyllischen Campingplatz in Äschi zwischen Spiez und Interlaken, wo eine schnuckelige Blockhütte auf uns wartet. Nach einem zünftigen Vesper schlafen wir auf dem Boden auf Isomatten weich gebettet in unseren Schlafsäcken ein.

Alle schlafen, Reiter und Ross, Biker und Bike. Die Möglichkeit hätte bestanden, aber Schäfchen zählen war nicht mehr nötig. Wir sind platt.

Mit den warmen Wollsocken von Victors Cousine Heike braucht sich vor kühlen Nächten niemand zu fürchten.

Die Nase darf kalt sein, doch solange die Füße warm sind, hat man das sichere Gefühl nicht zu frieren.

Victors Reisebetrachtungen

Bis Konstanz, also die ersten 36 km finden wir den Weg allein und brauchen keinen Führer. Ab Tägerwillen übernimmt Yannick, unser Guide von TomTom, die Aufgabe, uns auf zuvor bestimmten Pfaden zum Ziel zu führen. Er wird seiner Verantwortung meistens gerecht und zeigt als Maschine mitunter sogar menschliche Züge. Das heißt, er irrt, er verwechselt links mit rechts, er zählt falsch, er verspätet sich und hinkt der Anzeige auf dem Bildschirm hinterher, oder er macht einfach mal plötzlich Pause, weil er müde ist oder lange über den weiteren Verlauf der Reise nachdenkt.

Natürlich machen ihm Baustellen, Streckensperrungen, Umleitung, Änderungen der Verkehrsführung etc., die ihm bisher nicht mitgeteilt wurden das Leben schwer und uns damit auch. Aber er hat manchmal mit uns auch eigene Pläne, die wir meist absolut nicht verstehen. So zwingt er uns zwischendurch mal, die Hauptstrecke zu verlassen und lotzt uns auf Wege, die eng und holprig sind und durch kleine Gehöfte führen und mit Wanderern geteilt werden müssen. Auch ein kurzer Abstecher über einen Parkplatzt am Straßenrand hat er im Programm. Weiß der Teufel warum. Damit setzt er unsere Freundschaft auf eine harte Probe. Selten sorgt dies für so freudige Überraschungen wie zum Beispiel bei der erzwungenen Durchfahrt durch den kleinen wildromantischen Ort Brienzwiler im Berner Oberland in der Schweiz.

Am Ende bleibt uns in der Regel nichts anderes übrig als ihm blind zu vertrauen. Wir würden unser Ziel vor unserem Ableben sonst wohl nie erreichen und im Labyrinth der französischen Kreisverkehre bis zum jüngsten Tag unsere Runden drehen. Nur manchmal treffen wir eigene Entscheidungen über den Verlauf der Route in der Hoffnung, dass Yannik nicht beleidigt ist und uns den Dienst verweigert. Es gibt Momenten da sieht es fast danach aus. Dann stehen wir hilflos, um nicht zu sagen blöd am Straßenrand rum und warten ungeduldig bis Yannik sich wieder eingekriegt hat.